Freitag, 13. Oktober 2006
"Ich bin ein Popstar"
Mit erhobenen Händen steht er im Türrahmen. In der einen eine vollbepackte Brötchentüte, in der anderen den Haustürschlüssel, den er immer an einem Keyholder trägt, weil er gerne seine Schlüssel irgendwo liegen lässt. Die Sonnenbrille ist so dunkel, dass man seine Augen nicht sehen kann. Aber sie scheint gewirkt zu haben. Eigentlich sollte er nur Brötchen holen. Nein, er wollte Brötchen holen. Und es war auch nicht wirklich weit. Gleich um die Ecke. Nur ein paar Meter.



Als er fortging, war er der Mann, der mich seit Wochen in seiner Wohnung erträgt, der ab und an einen Putzfimmel entwickelt und gerne zum Abendessen ein Glas Rotwein trinkt. Vielleicht auch mal zwei. Und jetzt ist er ein Popstar.
Ich war nicht einmal im Bad. Die Haare zersaust, die Augenringe unübersehbar. Er ist mir auf dem Weg zum Zähneputzen in die Arme gelaufen. Mit diesem unverschämt schönen Grinsen. Und eben jenem Satz. „Ich bin ein Popstar“. Erst weiß ich nicht so richtig, wie ich nun wieder auf diese Entgleisung reagieren soll. Manchmal hat er eben seine fünf Minuten. Dann fällt mir jedoch eine Kleinigkeit ein, der ich noch vor ein paar Augenblicken keine große Bedeutung beigemessen haben. Als ich mich träge aus unserem Bett schälte, gab es draußen vor unserem Fenster Lärm. Frauenlärm. Nein, ich korrigiere. Teenagerlärm.
Gekreische, Gejohle, Pfiffe.
Nun leben wir hier in der Stadt. Das ist also nichts Ungewöhnliches. Vielleicht war auch das der Grund, warum ich mir überhaupt keine Gedanken machte. Hätte ja sein können, Tokio Hotel haben ihren Tourbus vor unserer Haustür geparkt, weil sie ins nahe gelegene Kino wollen. Oder zum Italiener um die Ecke. Für die Jungs machen die sicher auch schon früh um neun die Türen auf.
Aber es waren nicht die pubertierenden Nachwuchskünstler, die die Mädels da draußen zum Ausflippen brachten. Es war er. Mein er. Und eigentlich war er, wie gesagt, nur unterwegs um Brötchen zu holen. Überzeugt hat das anscheinend trotzdem.
Erst war ich ja ein wenig sauer, dass die Mädels sich vor unserer Tür aufführten, als sei ihnen eine Boy Group über den Weg gelaufen. Dann überwiegte aber ein anderes Gefühl. Er war Brötchen holen für MICH. Er stand hier in SEINER Wohnung, die irgendwie aber mittlerweile UNSERE ist und WIR aßen zusammen Frühstück. Und damit noch mal für alle zum Mitschreiben: Klar ist er ein Popstar. Aber er ist MEINER.

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