Donnerstag, 2. November 2006
Bald allein: Er hat seine Koffer gepackt
Langsam wird es ernst. Der Abflug rückt immer näher. Am Samstagmorgen wird ER >> zu seinem Blog sich in Richtung Süden verkrümeln und mich alleine - zum ersten Mal seit wir uns kennen - hier zurücklassen. Aber ich habe selbst Schuld. Ich hätte ja mitfliegen können. Aller Flugangst zum Trotz. Nun bekomme ich die Quittung. Sieben Tage am Stück ohne ihn. Mann, mir wird echt etwas mulmig.

Unsere/Seine Wohnung gleicht mittlerweile einer Flughafenabfertigungshalle. Hier liegen Tickets rum, Koffer stehen im Weg und jede Menge Reisebroschüren bevölkern unseren Arbeitstisch. Außerdem habe ich einen weiteren Tick bei ihm entdeckt: Er ist eine Klebezettelmann.

Was das ist? Ein Klebezettelmann ist ein Mann, der sich alles, was er nicht vergessen will, auf Klebezettel schreibt. In dieser Wohnung hängen mittlerweile mehr Post-Its an den Wänden als Bilder. Das lustige ist, ihm kommen bei den seltsamsten Gelegenheiten neue Ideen, was er aufschreiben muss.

Heute morgen zum Beispiel, als er in der Badewanne lag und man vor lauter Shampoo nur noch erahnen konnte, wer sich da die Haare wusch, rief er ganz aufgeregt, ja hektisch nach mir. Erst dachte ich, es sei etwas passiert - Das Alter für einen komplizierten Oberschenkelhalsbruch hat er ja fast erreicht - ganz so schlimm war es dann aber nicht.

"Schreib unbedingt auf den Zettel, dass ich noch Shampoo brauche", nuschelte es da aus dem Berg von Schaum hervor. Gesagt. Getan. Das Shampoo wurde auf seine To-Do-Liste gesetzt. Und während er den halben Vormittag damit verbrachte, diese abzuarbeiten, verdrückte ich mich erst mal in die Stadt. So eine Hektik in der Wohnung, das war mir echt zu viel.

Keine zwei Stunden später - die akutsten Reisevorbereitungen müsste er nun eigentlich hinter sich haben, dachte ich - kehrte ich zurück in unser kuscheliges Zuhause. Doch an Kuscheln war nicht zu denken. Ganz im Gegenteil.

Im Flur stapelten sich noch mehr Sachen, als vor meiner Flucht. Seine gesamten Klamotten hatten sich in Berge von NOCH-ZU-WASCHEN, SCHON-GEWASCHEN und BITTE-BÜGELN aufgeteilt und er rannte wie ein Wahnsinniger von einem Zimmer zum nächsten.

"Wo ist bloß der Reisepass", war der einzige Satz, den ich in der nächste halbe Stunde hörte. Diesen dann allerdings mehrfach. Das war heute Mittag ...

Jetzt - zur besten Kaffeetrinkzeit - ist es ruhig geworden. Ich habe ihn ins Büro geschickt. Soll er doch seine Kollegen wahnsinnig machen. Mit seinen Klebezetteln, seiner Wäsche und seinem Reisepass. Ach und meinetwegen auch mit seinen Schuhen, die er unbedingt noch braucht, von denen ich aber überhaupt nicht weiß, WANN wir die noch kaufen sollen. Und überhaupt. Was dem alles einfällt, einen Tag vor der Abreise! Und mir seit unserem Kennenlernen vorwerfen, ICH sei chaotisch.

Mensch bin ich froh, wenn der am Samstagfrüh im Flieger sitzt. Ob mit oder ohne Reisepass. Zur Not zeige ich der netten Dame am Abfertigungsschalter diesen Beitrag. Dann muss sie ihn einfach mitnehmen. Schon aus Mitleid mit mir.

Und dann werde ich noch warten, bis er eingecheckt ist, ihm einen Riesenkuss auf die Wange hauchen, durch den Winter zurück nach Hause fahren und sieben Tage lang den Mann vermissen, der mich mit seiner Perfektion gerne rasend macht.

Hach, wenn er doch schon wieder zu Hause wäre.

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