Dienstag, 14. November 2006
Big Brother ist watching you
Um es gleich vorneweg zu sagen: Er >> zu seinem Blog hat mein Essen überlebt. Und zwar so gut, dass ich gestern kochtechnisch gleich noch mal ran musste. Ich bin wohl doch nicht so ungeschickt, was das angeht. Man lernt eben nie aus.

Dafür haben wir jetzt ein neues Problem. Es existiert, seit er am Samstagabend wieder diese Wohnung betreten hat. Richtig akut ist es eigentlich erst gestern geworden und gefährlich dann heute früh.

"Ich komm mit meiner Zeit überhaupt nicht mehr klar", ruft er aus dem Wohnzimmer, während ich noch genüsslich mit der warmen Bettdecke kuschele. Der Gute hat heute frei. Muss aber noch ein paar Dinge fürs Büro erledigen. Das sei alles kein Problem, hatte er mir noch gestern versichert. Heute früh sieht das dann ganz anders aus und ich weiß auch warum.

Seit ein paar Tagen hält die digitale Revolution in Form von Firmenlaptops, neuen Digitalkameras, einer WebCam und einem Camcorder in unserer Wohnung Einzug. Kisten stapeln sich, Gebrauchsanweisungen fliegen durch die Gegend und an fast jeder Steckdose hängt ein anderes Ladegerät, das die Technik in Gang hält.

Ich halte mich von diesen Sachen ja fern. Ich will nicht wissen, wie ich bei der Kamera eine Szene im 16:9-Format aufnehmen kann, es interessiert mich auch nicht, mit wie viel Gigabyte Speicher dieses Laptop arbeitet und der Camcorder, der kann mir erst recht gestohlen bleiben.

Bei ihm ist das ja ganz anders. Er feiert seit ein paar Tagen Bescherung. Und das täglich aufs Neue.
Und während ich mich, wie bereits erwähnt, noch schön in die Federn kuschele, raschelt, rumpelt und hämmert es im Zimmer nebenan. Ich ahne böses und ich habe recht. Der Camcorder hat es ihm wieder angetan. Und wieder einmal war ich sein Opfer. "Schau doch mal in die Kamera. Huhu. Guck mal, damit kann ich alles aufnehmen", ruft ein nur in Unterwäsche bekleidetes Etwas, das vor kurzem noch seelenruhig neben mir geschlafen hat und hält mir die Linse in mein ungeschminktes Gesicht.

Ich bin für so eine Art von Überraschungen am frühen Morgen gar nicht zu haben. Genauso wenig wie für seine Fotosessions, wenn ich seine Wäsche bügele oder seine Videodokumentationen während ich in Ruhe etwas lesen will. Und weil er ja "noch so viel fürs Büro tun muss", zeige ich mich gnädig, stapfe ins Bad - natürlich nicht ohne auf dem Weg dahin von der Kamera begleitet zu werden - und biete an, Brötchen zu holen.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit er mir gegeben hat, bis er mit seinem digitalen Schnick-Schnack-Teil erneut im Bad auftauchte, um zu dokumentieren, wie meine Haare von schrecklich zu richtig vorzeigbar mutierten. Ich weiß auch nicht, ob er das Teil überhaupt mal aus der Hand gelegt hat, als ich mich aufmachte, um fürs Frühstück zu sorgen. Ich weiß nur, dass ich mit der Brötchentüte nach Hause kam und er saß noch immer mitten in einem Technik-Berg der jeden Media-Markt-Mitarbeiter neidisch gemacht hätte.

Den Satz "Ich komm mit meiner Zeit überhaupt nicht mehr klar", habe ich an diesem Nachmittag noch mehrmals gehört. Meistens dann, wenn er sein Spielzeug gegen "echte" Arbeit tauschte. Und irgendwie hatte ich an diesem Nachmittag nur einen Wunsch: Eine Zeitreise machen. Und zwar in die Zeit, in der Männer noch ihre Spielzeugeisenbahn durchs Wohnzimmer fahren ließen. Das hat zwar sicher auch genervt, aber da genügte schon ein kleiner Tritt auf die richtige Gleise und der Spuck war erst mal vorbei.

Aber was soll’s. Ich gebe mich meinem Schicksal hin und harre der Dinge, die da noch kommen werden. Hauptsache ich finde meine „Dienstag-Morgen-Haare-Schön-Mach“-Videosequenz nicht irgendwann im Internet wieder. Denn dann mein Freund, dann schwöre ich Rache ...

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